Die Geschichte der Justizanstalt Wien-Josefstadt

Die amtlichen Gebäude, wie die “Schranne und der Narrenkotter” standen am “Hohen Markt”, davor der unvermeidliche “Pranger”, nachweisbar bereits im Jahre 1325. Nach einem Brand im Jahre 1437 wurde die “Schranne” auf der Südseite des “Hohen Marktes” neu gegenüber der Brandruine zweckmäßig erbaut. Abgehandelt wurden sowohl kriminal- als auch zivilrechtliche Fälle. Bei einem Todesurteil läutete die “Armensünderglocke” in der kleinen Kapelle. Die Vollstreckung des Urteils erfolgte auf der Hinrichtungsstätte “Spinnerin am Kreuz” bis zum Jahre 1839, danach übersiedelte man in das neue Kriminalgerichtsgebäude, dessen Baugeschichte in der Folge näher beschrieben werden wird. Das Zivilgericht unterstand dem Magistrat und amtierte weiterhin in der “Schranne”, die 1740 im Auftrag Kaiserin Maria Theresias restauriert wurde und bis zum Abbruch im Jahre 1755 der Finanzprokurator unterstellt war.

Für die Unterbringung der verurteilten Häftlinge war in der “Schranne” zu wenig Platz. Schon unter Kaiser Leopold I. wurden 1671 bis 1673 drei Häuser des ehemaligen Ghettos in der Leopoldstadt als Zucht- und Arbeitshäuser eingerichtet und mit Häftlingen belegt. Während der 2. Türkenbelagerung teilweise zerstört, jedoch wieder aufgebaut, standen diese in der heutigen Leopoldsgasse. Sie wurden während der Pestjahre als Lazarett, später unter Kaiser Franz I. wieder als Zuchthaus unter dem Namen “k.k.n.ö. Provinzialstrafhaus” geführt und anschließend bis zum Abbruch im Jahre 1888 wieder als Spital etabliert. Blickte man um 1830 von der “Mölkerbastei” über das “Glacis” in Richtung Alservorstadt, so sah man die Kirche und davor die alten Häuser, eine bürgerliche Schießstätte und einen aufgelassenen Friedhof.

Schon Kaiser Franz I. legte gedanklich um 1813 den Grundstein für ein neues Gerichtsgebäude, jedoch fehlte der Stadt Wien das nötige Geld. Erst die große Arbeitslosigkeit zwang dazu, die Bautätigkeit anzukurbeln und so wurde 1831 die Baubewilligung für das “Kriminalgericht” erteilt. Im Jahre 1832  wurde nach den Plänen des Architekten Johannes Fischer mit dem Bau begonnen und am 13. Mai 1839 seiner Bestimmung übergeben. Am 1. Dezember 1839 erfolgte die Einweihung der Hauskapelle, welche im Zuge des Umbaues 1980 abgerissen und im Jahre 1984 neu errichtet wurde. Bis zum Jahre 1850 amtierten noch kommunale Richter. Zu den ersten Angeklagten zählten der Bauführer und der Dachdecker, sie sollen falsche Bauberechungen vorgelegt haben, die Urteile sind in der Literatur nicht erwähnt.

Das 1839 fertig gestellte Gebäude hatte in der Landesgerichtsstraße eine Fassadenlänge von ca. 223m, die Baufläche 21.900 m². Im Laufe der folgenden Jahre kam es zu Umbauten und Zubauten, die großen Höfe der Anstalt waren dafür bestens geeignet.

Eine der Forderungen der Revolution des Jahres 1848 war, zu den Gerichtsverhandlungen die Öffentlichkeit zuzulassen. Diese Forderung führte zum Umbau der Verhandlungssäle, der Warteräume und der Wachzimmer.

Am 1. Juli 1850 übernahm der Staat gegen eine Bezahlung von einer Million Gulden das vom Magistrat erbaute Gebäude, gleichzeitig erfolgte die Übergabe der Zuständigkeit der Rechtssprechung.

Der Straßentrakt Alserstraße wurde erweitert, und 1874 gleichzeitig der Schwurgerichtssaal errichtet. Der Schwurgerichtssaal und die Außenfassade blieb nach dem Umbau 1984 erhalten und wurden in ihrer historischen Bausubstanz nicht verändert, lediglich restauriert.

Der durch seine politischen und rassistischen Hinrichtungen in die Geschichte eingegangenen “Galgenhof” wurde im Jahre 1874 errichtet. Die letzte öffentliche Hinrichtung auf der Richtstätte “Spinnerin am Kreuz” fand am 28. Mai 1868 statt, alle weiteren im “Grauen Haus”. Der Neubau der Bäckerei erfolgte 1895, um 1900 kamen mehrere Wirtschaftsgebäude wie Großküche, Waschhaus, ein neues Heizhaus und Werkstätten für arbeitswillige Häftlinge, unter anderem Tischler und Schlosser dazu. Von 1905 bis 1906 wurde auf die Außenfront des Gebäudes ein drittes Stockwerk aufgebaut und entspricht der heutigen Ansicht. Ein Krankentrakt und ein gut eingerichtetes Spital wurde eröffnet. Schwere Krankheitsfälle wurden unter Bewachung in das allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien überstellt.

Nach dem Ersten Weltkrieg folgte in Österreich eine politisch sehr unruhige Zeit. So wurde in Wien am 15. Juli 1927 der Justizpalast in Brand gesteckt. Bürgermeister Karl Seitz versuchte vergebens die Massen zu beruhigen. Ein Versuch, auch in das “Graue Haus” einzudringen, wurde von den dienst- habenden Beamten erfolgreich verhindert.

Im Zweiten Weltkrieg gab es am 5. November 1944 durch einen amerikanischen Bombenabwurf einen Volltreffer in einem Stiegenhaus des Häftlingstraktes. Die Trümmer begruben fünf Justizwache- beamte und mehrere Gefangene. Noch heute erinnert eine Gedenktafel an diese Tragödie.

Im Jahre 1995  wurde der komplette Neubau fertig gestellt.

Zur Erinnerung an das Gefängniswesen vergangener Zeit wird ein historisch nachgebauter Haftraum als Museumszelle ausgeführt. Österreichs “Mutterhaus” aller Justizanstalten zählt seit der Fertigstellung im Jahre 1995 zu den modernsten und größten Gefängnissen Europas.

Ausstattung:

Unser Haus umfasst eine Belagskapazität von 950 Haftplätzen und ist in vier Trakte, in denen 28 Abteilungen vorhanden sind, geteilt. Die Abteilungen werden den Anforderungen eines modernen Strafvollzuges gerecht.

Insassenstand:

Der durchschnittliche Insassenstand umfasst zur Zeit ~1100 Insassen. Die Auslastung unserer Anstalt ist durchschnittlich mit über 100% gegeben.

Wirtschafts- und Arbeitsbetriebe:

An Wirtschafts- und Arbeitsbetrieben verfügt die Justizanstalt über die Betriebe Bäckerei, Elektriker, Installateur, Wäscherei, Schlosserei, Kfz-Mechaniker, Schuhmacher, Schneider, Friseur, Näherei, Maurerei, Malerei, Tischlerei, Buchbinderei, Tapezierer und zwei Unternehmerbetriebe sowie zwei Küchen. Diese Fachwerkstätten bzw. Wirtschaftsbetriebe sind einerseits zur Systemerhaltung und andererseits zur Auftragsdurchführung anderwärtiger Auftragsgeber eingerichtet.

Die Betriebe sind zu 95% ausgelastet. Wir können in unseren Betrieben durchschnittlich 316 Insassen beschäftigen.

Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten der Insassen:

An Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten werden den Insassen psychologische, sozialpädagogische Betreuung sowie Group-Counselling angeboten.

Medizinische Betreuung:

Für die medizinische Betreuung steht eine Sonderkrankenanstalt mit 28 Hafträumen und 89 Krankenbetten zur Verfügung. Die Sonderkrankenanstalt verfügt über Röntgendiagnostik, zahnärztliche Behandlung, allgemeinmedizinische Behandlung, urologische und gynäkologische Behandlung, pulmologische, chirurgische sowie Behandlung für Hautkrankheiten und HNO-Erkrankungen, aber auch über einen Facharzt für Augenheilkunde. Auch stehen Notfallmediziner 24 Stunden zur Verfügung.

Freizeitangebote und Besuche:

An Freizeitangeboten stehen sportliche Aktivitäten sowie basteln in Vordergrund. Jährlich werden ca. 35.000 Besuche durchgeführt.

Zusammenarbeit mit Einrichtungen in der Freiheit:

Mit den AMS, Neustart sowie der Haftentlassenenhilfe wird eng zusammengearbeitet. Die Unterstützung bei der Arbeits- und Wohnraumbeschaffung im Anschluss an die Haft ist ein wichtiger Schritt für das persönliche Fortkommen nach der Haft.

Kulturelle Veranstaltungen:        

Kulturelle Veranstaltungen werden wie gesetzlich vorgesehen in unserem Haus ¼ jährlich abgehalten. Weiters findet jährlich ein Weihnachtsbasar statt, wo die von Insassen erzeugten Artikel erworben werden können.


Artikel: Major Stefan Gaupmann [Leiter des Ausbildungszentrums in der Justizanstalt Stein]